Einführung
Die überwiegend hochrangigen Leitungskader des MfS erhoben mit ihren Arbeiten den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Diese waren als geheime Verschlusssachen selbst innerhalb des MfS nicht frei zugänglich. Die Autoren belegen darin, dass im Umgang mit Fluchtversuchen, den sogenannten Grenzverletzungen, politische Aspekte stets im Mittelpunkt standen.
Die Arbeiten ermöglichen authentische Einblicke in das "Rechtsverständnis" des MfS (
Das betraf vor allem die DDR-Grenztruppen (vgl. Dietze u. a.) und die Deutsche Volkspolizei (vgl. Speckhardt/Gruska), die bei der präventiven Verhinderung von Fluchten eine wichtige Rolle spielte (vgl. Hummitzsch u. a.). Die Autoren unterstreichen unmissverständlich die klare Ausrichtung aller Handlungen auf die Wahrung der politischen Interessen der SED (vgl. Pyka u. a.). Das gilt besonders hinsichtlich der von den Spezialkommissionen der Linie IX des MfS geführten Untersuchungen politisch brisanter Fluchtversuche mit Verletzten und Toten.
Auf besonders zynische Art und Weise wird dies im eklatant unterschiedlichen Umgang mit den im Dienst getöteten Grenzsoldaten deutlich. Diese wurden überwiegend im Zuge von Fahnenfluchten getötet, im Nachhinein aber in der
Die getöteten Grenzsoldaten waren eine vergleichsweise kleine Gruppe von Grenzopfern. Diese wird bis heute aber häufig von den früheren Verantwortlichen herangezogen, um den rechtswidrigen und würdelosen Umgang mit den überwiegend jugendlichen und unbewaffneten Fluchtopfern und deren Angehörigen zu relativieren. Dass auch in der Bundesrepublik mit Waffengewalt erzwungene Fluchten nicht straffrei blieben und beispielsweise Weinhold wegen Totschlags rechtskräftig verurteilt wurde, wird von ihnen oft - wie seinerzeit in den DDR-Medien - verschwiegen.
Verschwiegen wird auch die konspirative Verfolgung von geflüchteten "Verrätern" durch das MfS, seien es Deserteure aus den eigenen Reihen, Spitzensportler wie der Fußballer Lutz Eigendorf oder Fluchthelfer wie Wolfgang Welsch. "Verräter" und vor allem von der DDR als Terroristen betrachtete Feinde der DDR mussten mit Mordanschlägen rechnen.
Zu den sogenannten "terroristischen Gewaltakten" gegen die Grenzsicherung (vgl. Ziegenhorn u. a.) gehörte für das MfS beispielsweise der gefahrvolle Abbau einer der offiziell geleugneten Selbstschussanlagen durch den ehemaligen DDR-Flüchtling Michael Gartenschläger. Er wurde durch eine Einsatzkompanie des MfS bei einem weiteren Versuch, ein solches Gerät abzubauen, erschossen. Erinnert sei auch an die radikalen Proteste des Westberliners Bernd Moldenhauer gegen die Berliner Mauer und seine Ermordung im Jahr 1980 durch einen inoffiziellen Mitarbeiter des MfS.
"Jeder Tote war einer zu viel", sagte der letzte, nach mehreren Instanzen rechtskräftig verurteilte Regierungschef der DDR Egon Krenz, denn "der DDR haben diese Toten geschadet" (In seiner Verteidigung im Prozess gegen die Befehlsgeber des Politbüros der SED und des Nationalen Verteidigungsrats der DDR am 24.7.1997). Diese Worte waren wohl weniger ein Zeichen der Empathie für die Opfer der innerdeutschen Grenze. Sie bezeugen vielmehr das politische Interesse an den hier dokumentierten "wissenschaftlich fundierten" Methoden des Täuschens und Vertuschens der Todesfälle.